Grooviger Boogie, als die Räuber fliehen

Grooviger Boogie, als die Räuber fliehen

SONNENBERG. Was liegt näher, als das Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“ als Musiktheater auf die Bühne zu bringen? Bei der Inszenierung im Rahmen der Sommerfestspiele Wiesbaden nutzt Regisseur Wolfgang Vielsack die Steilvorlage und macht den Musiker Imran Khan zum heimlichen Hauptdarsteller. Dieser begleitet die Gäste vom Anfang bis zum Ende ihres Besuches im Burggarten von Burg Sonnenberg. Zunächst sitzt er am Eingang und begrüßt das Publikum mit sommerlich leichten Melodien. Das Instrument lässig geschultert schlendert er schließlich über den durch die vorderen Reihen verlaufenden Aufgang und sorgt besser als jedes Lauten dafür, dass sich die Aufmerksamkeit der Gäste nun der Bühne zuwendet. Dort sind zwei Häuschen aufgebaut: ein etwas schmaleres mit einem Herzchen in der Tür sowie in überraschend geräumiges Fachwerkgebäude. Etwas seitlich davon, unter einem Sonnenschirm, nimmt Khan Platz, um die Aufführung mit seiner Musik zu begleiten. Erstmals sind die meisten Plätze überdacht Schattenplätze gibt es bei der zehnten Auflage der noch bis zum 7. August laufenden Sommerfestspiele auch für den Großteil des Publikums. Denn erstmals ist ein Teil des Geländes überdacht. Das freut auch den Oberbürgermeister, der als Schirmherr der Veranstaltungsreihe bei der Premiere zu Gast ist. „

Das ist eine tolle Geschichte, in der man sieht, was daraus wird, wenn man zusammenhält“, findet Gert-Uwe Mende (SPD). Doch keine Lösung ohne Problem, und so scheitert zunächst mal Ariane Klüpfel-Twinem als Bio-Bäuerin daran, ihren von Jürgen Knittl verkörperten Esel über die fünf Stufen des Aufgangs auf die Bühne zu bringen. Da hilft kein Locken mit Bundmöhren, kein Ziehen am Strick und kein Schieben am Hinterteil, das ein Schwanz aus Tauwerk ziert. Die Wege trennen sich also, und obwohl Knittl die krächzende Esel-Stimme authentisch umsetzt, trifft das Grautier den Entschluss, fürderhin eine Karriere als Stadtmusikant in Bremen anzustreben. Vor verschlossener Tür findet sich auch Gustave, der Hannoversche Schweißhund, wieder, der von Patrick Twinem lebensnah auf die Bühne gebracht wird. Zu langsam, zu pausbäckig, zu vollschlank lautet das Urteil von Jäger Oliver Lemki. Da die beiden Tiere stimmlich auf einem Niveau liegen, bietet sich das Bilden eines Duos an. Das handelt in großer Eintracht, bis es auf Katze Madame in Person von Alina Stemmerich trifft. „Sie ist in Not“, argumentiert der Esel.

„Aber sie ist eine Katze“, entgegnet der Hund. Es kommt zur Zerreißprobe, die den positiven Effekt hat, dass die Rückenschmerzen des Esels kurzzeitig behoben sind. Am Ende erweitert sich das Ensemble, da Madame zum einen weiß, dass man Gustave nur zu loben braucht, damit dieser hechelnd herbeieilt. Zum anderen bietet sich ihre Beteiligung auch deshalb an, weil die Absolventin der „Musical Arts Academy Mainz“ wirklich gut singen kann. Gleiches gilt für Julia Braun in der Rolle des hibbeligen Hans Enrico, sodass die Interpretation der Lieder, die während der Probenarbeit aus der Handlung heraus entwickelt worden sind, immer harmonischer wird. Das Schlaflied, während dessen Darbietung der Hahn in der Traverse der Bühnenkonstruktion hängt, wirkt sogar auf den Gitarristen, der beim letzten Akkord einschlummert. Die Vertreibung des Räuber-Pärchens aus dem Haus wiederum wird mit groovigem Boogie gefeiert, und es zeigt sich eindrucksvoll, dass Musik auch noch die müdesten Knochen munter macht.

Von Hendrik Jung // Wiesbadener Kurier // 19.07.2022

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