Von Robert Maus 21.10.2024
SANIERUNG GESCHEITERT:
Die Zukunft des freien Theaters Kuenstlerhaus-43 steht auf der Kippe. Eigentlich hätte die Stadt Wiesbaden den ursprünglichen Spielort der Schauspieler an der Oberen Webergasse umbauen und dann den Künstlern zur Verfügung stellen sollen. Bereits im Januar 2021 hatte der Magistrat beschlossen, mit dem damaligen Eigentümer eine entsprechende Absichtserklärung zu vereinbaren. Knapp vier Jahre später ist das Gebäude jedoch an einen privaten Investor verkauft worden – die Theaterleute fürchten um ihre Existenz.
Es gibt jedoch einen Hoffnungsschimmer. Der neue Eigentümer soll bereit sein, das Gebäude selbst umzubauen und dann an die Stadt zu verpachten. Erste Gespräche hat es schon gegeben, bestätigte Kulturdezernent und Kämmerer Hendrik Schmehl (SPD).
Das Theater feiert im nächsten Jahr sein Bestehen seit 20 Jahren, aber Mitbegründer und Intendant Wolfgang Vielsack blickt sorgenvoll in die Zukunft. Die Theaterleute spielen derzeit im Palasthotel und müssen dort nach aktuellem Planungsstand Ende 2025 ihre Interimsnutzung beenden, weil auch das Palasthotel saniert werden soll. „Was dann kommt, das wissen wir nicht“, sagte Vielsack. „Aber wir hoffen auf eine Lösung.“
Stadt Wiesbaden war zu langsam
Der Intendant ging bislang davon aus, dass die Stadt das Gebäude an der Oberen Webergasse in Erbbaupacht erwirbt. Nach dem Scheitern dieses Vorhabens weiß er nicht, wie es für das Ensemble weitergehen soll. „Man kann ein Theater nicht einfach ein Jahr zumachen“, sagte Vielsack. Er hofft, dass sich die Stadt und der neue Eigentümer einig werden: „Dann hätten wir eine gesicherte Bühne und könnten uns auf das Theaterspielen konzentrieren.“
Dass es überhaupt zu dieser Situation gekommen ist, liegt nach Einschätzung von Insidern an der Stadt. Trotz des Magistratsbeschlusses von 2021 sei es nicht gelungen, mit dem früheren Eigentümer zügig einen Erbpachtvertrag für das Gebäude abzuschließen. Jahrelang habe die Stadt auf fremdem Grund und Boden geplant, ohne für die nötige Planungs- und Rechtssicherheit zu sorgen, lautet der Vorwurf.
Als der Eigentümer Ende 2023 starb, trat eine Erbengemeinschaft ein und verhandelte mit der Stadt über die Obere Webergasse 43. Dabei soll der Wertansatz der Stadt für das Grundstück und das alte Arbeiterhaus in der City so niedrig gewesen sein, dass die Erben das Haus im freien Markt anboten und dort einen erheblich höheren Preis erzielten.
Schmehl bestätigt, dass die Preisvorstellung der Erbengemeinschaft dreimal so hoch gewesen sei wie der von der Stadt ermittelte Wert der Liegenschaft. Die städtische Bewertungsstelle hatte demnach einen Wert von 255.000 Euro genannt. Nach Auskunft des Kulturdezernats habe die Stadt zudem mit der Familie darüber verhandelt, ob es möglich sei, das Gebäude vorerst zu verpachten, sodass das Haus saniert werden könne. Dafür sollte die Kommune eine einseitige Kaufoption erhalten, um das Theater später erwerben zu können. Diesen Vorschlag lehnten die Erben ab, sie verkauften und konnten ihre Preisvorstellungen offenbar relativ zügig durchsetzen.
Es gibt noch Hoffnung
Die Planungen für das Haus sind schon weit fortgeschritten, laut Schmehl sind schon Planungskosten in Höhe von 378.000 Euro angefallen. Im Haushalt der Stadt sind dafür rund eine Million Euro eingeplant, aus denen diese Kosten bestritten wurden. Für Sanierung und Umbau liegt eine Genehmigungsplanung des Wiesbadener Büros Kissler Effgen + Partner Architekten vor, und nach Auskunft des Kulturdezernats war bereits ein Bauantrag für das Projekt eingereicht worden. Dieser wurde jedoch zurückgezogen, als absehbar war, dass es mit den Erben zu keiner Einigung kommen würde.
Die Planungsleistungen hatte die städtische Gesellschaft Wibau vergeben. Nach deren Kostenberechnung standen voraussichtliche Sanierungs- und Umbaukosten in Höhe von rund sechs Millionen Euro im Raum. Eine daraufhin vom Revisionsamt in Auftrag gegebene Plausibilitätsprüfung bezifferte die zu erwartenden Kosten auf eine Spannbreite zwischen fünf und 7,8 Millionen Euro für das um 1870 errichtete Gebäude. Der Wert des Grundstücks ist darin nicht berücksichtigt.
Aufgrund der hohen Sanierungskosten wurden in Wiesbaden Mutmaßungen laut, die Stadt sei deswegen aus dem Projekt ausgestiegen und habe nur einen sehr niedrigen Kaufpreis in Aussicht gestellt. Öffentlich soll diesen Verdacht der FDP-Politiker Frank-Julian Lube geäußert haben, wie der „Wiesbadener Kurier“ berichtete.
Sollte es zu keiner Einigung zwischen Stadt und neuem Eigentümer kommen, wären die schon gezahlten Planungskosten in Höhe von 378.000 Euro verloren, wie Schmehl bestätigte. „Wir können nicht immer den Markt schlagen“, antwortete der Kämmerer auf die Frage, weshalb die Stadt nicht mehr für das Gebäude zahlen wollte, zumal die Planungen weit fortgeschritten waren. Warum man sich mit dem früheren Eigentümer nicht binnen drei Jahren habe einigen können, begründete Schmehl unter anderem mit den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie.
Jedoch gibt es noch Hoffnung für das Kuenstlerhaus-43. Der neue Eigentümer soll bereit sein, eine reduzierte, 2,5 Millionen Euro teure Umbauversion zu realisieren. Das würde eine günstigere Pacht ergeben, die je nach Vertrag über 20 bis 30 Jahre von der Stadt gezahlt werden müsste. In anderthalb Jahren könnte das Gebäude umgebaut sein; da die Arbeiten im Palasthotel voraussichtlich frühestens 2026 beginnen, hätten die Künstler bis zu ihrer Rückkehr an die Obere Webergasse die Möglichkeit, weiter Theater zu spielen.